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Die vergessenen und verdrÀngten Opfer
des Nationalsozialismus:
AuslÀndische Zwangsarbeiter
Zu den Toten von Zweitem Weltkrieg und nationalsozialistischer Gewaltherrschaft in Billerbeck zÀhlen auch die
auslÀndischen Menschen, die in den Kriegsjahren in der Stadt und im Amt Billerbeck Zwangsarbeit leisten mussten.
Die Zwangsarbeit
stellt eines der zentralen Verbrechen der NS-Diktatur dar. Zwischen 1939 und 1945 wurden insgesamt mehr als neun Millionen auslĂ€ndische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit nach Deutschland gebracht. Diese âFremdarbeiterâ, von denen die meisten âOstarbeiterâ waren, sollten die deutsche Wirtschaft aufrecht erhalten, wĂ€hrend die deutschen MĂ€nner als Soldaten und Beamte die HeimatlĂ€nder der Zwangsarbeiter besetzt hielten, ausbeuteten und zerstörten. 1944 stellten auslĂ€ndische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene ein Viertel aller in der gesamten Wirtschaft des âGroĂdeutschen Reichesâ registrierten ArbeitskrĂ€fte.
Rekrutierung, Deportation und Arbeitseinsatz wurden erzwungen und nicht selten gewaltsam
durchgesetzt. Die Ausbeutung der Arbeitskraft, die Ruinierung der Gesundheit sowie die zum Teil unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen, nicht selten als Internierung in Lagern,
fĂŒhrten in vielen FĂ€llen zum Tode, wenn nicht sogar wegen âVerfehlungenâ und âVerstöĂenâ getötet wurde.
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Darunter befanden sich Kriegsgefangene, vor allem aber waren es zivile MĂ€nner und Frauen, von denen die meisten in
den ersten Monaten nach dem Kriegsende in Billerbeck am 30. MĂ€rz 1945 starben.
Ein GroĂteil der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wurde auf dem GelĂ€nde der Benediktiner-Abtei Gerleve beerdigt,
einige wenige fanden ihre letzte Ruhe auf dem 1955 angelegten GrĂ€berfeld in der âEhrenanlageâ auf dem Billerbecker Friedhof.
Das Gedenken an diese Menschen aus Russland und WeiĂrussland, aus der Ukraine und Polen sowie aus den
Niederlanden wird mit der neuen Gedenktafel in das Bewusstsein der Bevölkerung gerĂŒckt. Mit der namentlichen Nennung von ĂŒber 120 Personen (von manchen sind allerdings nicht einmal mehr die Namen bekannt)
beschreitet Billerbeck auch hier Neuland, denn ein Gedenken vor Ort an die auslÀndischen Zwangsarbeiter als Opfer der nationalsozialistischen Terror- und Gewaltherrschaft beginnt sich erst zu entwickeln.
Wie sich die Zwangsarbeit in den landwirtschaftlichen, handwerklichen und gewerblichen Betrieben Billerbecks
ausgestaltete, ob nicht nur private, sondern auch kirchliche und staatliche âArbeitgeberâ von der Zwangsarbeit profitierten, wird die zukĂŒnftige Forschung erweisen mĂŒssen.
Auch ist das konfliktreiche VerhÀltnis von Bevölkerung und Zwangsarbeitern vor und
nach Kriegsende noch völlig unaufgearbeitet. Sicher ist, dass die Zwangsarbeit integraler Bestandteil der örtlichen Wirtschaft und damit auch der lokalen
Gesellschaftsgeschichte war. Insofern stellt sich heute nicht nur die Frage nach dem Gedenken an die Opfer dieser Zwangs- und Gewaltpolitik, sondern auch nach der
materiellen EntschÀdigung der Zwangsarbeiter, so sie denn noch leben fast 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Zumindest auf der symbolischen Ebene der
Vergangenheitsaufarbeitung hat Billerbeck einen ersten und groĂen Schritt mit der neuen Gedenktafel getan.
Der Kreis Coesfeld fördert ein Forschungsprojekt, die Spuren der Zwangsarbeit
in den Altkreisen Coesfeld und LĂŒdinghausen nachzuzeichnen (www.kreis-coesfeld.de). Erste Ergebnisse bereitete eine Ausstellung auf, die vom 14. bis 29. November 2002 in der Kreisverwaltung
in Coesfeld gezeigt wurde.
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weiter : Nachholendes Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus:
Die verfolgten und vertriebenen, verschleppten und ermordeten Juden
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