“In großer Sprache formen,
was das Volk fühlt”

Die Geschichte des Kriegerehrenmals

 

An der Sterbekapelle des Heiligen Ludgers - hier ein Bild aus der Zeit um 1890 - orientierte sich Architekt Bernd Meyer

 

Im Zuge der anstehenden Sanierung des Kriegerehrenmals 2000 und der Gewährung von Landeszuschüssen hierfür beschäftigte sich Dr. Barbara Pankoke vom Westfälischen Amt für Denkmalpflege mit der Geschichte des Kriegerehrenmals. Mit Unterstützung von Dieter Nagorsnik vom Stadtarchiv Billerbeck und Dr. Günther Meyer, dem Sohn des Architekten Bernd Meyer, fasste sie die Ergebnisse in einem Aufsatz zusammen, der in der Schriftenreihe Denkmalpflege in Westfalen-Lippe erschienen ist. Auszugsweise veröffentlichen wir diesen Aufsatz in einer Fassung, wie er am 13.3.1999 in der Münsterschen Zeitung erschien.

Volksabstimmung

„Der Formulierung des Baugesuchs für das Kriegerehrenmal bzw. die Kriegergedächtniskapelle am 24. April 1925 war eine lange Planungsphase vorausgegangen. Gleich nach Kriegsende war in der Billerbecker Bevölkerung der Wunsch nach einer angemessenen Ehrung der Gefallenen des 1. Weltkrieges entstanden. Es hatte diesbezüglich sogar eine Volksabstimmung stattgefunden und Gelder waren gesammelt worden. Die entstandene Summe war jedoch durch die Inflation wertlos geworden.

Werbewoche

1924 hatte sich der Kriegerverein Billerbeck neu organisiert und sich zum Ziel gesetzt, das Denkmalprojekt nun endlich zu realisieren. Zur Finanzierung veranstaltete er u.a. vom 8. bis 15. Februar 1925 eine Werbewoche für das Kriegerdenkmal.

Standort umstritten

Besonders bezüglich der Standortfrage hatte lange Zeit Uneinigkeit geherrscht. Das geplante Denkmal sollte „würdig der 220 Heldensöhne des Amtes Billerbeck, würdig der alten Ludgerusstadt mit ihrer denkwürdigen tausendjährigen Vergangenheit" sein

Wohl schon recht bald war an die Einrichtung einer Gedächtniskapelle im Nordturm der Ludgeri-Kirche gedacht worden. Dies wäre auch eine kostengünstige Lösung gewesen, da man nur die Ausstattung der Kapelle hätte finanzieren müssen, ein rein weltliches Denkmal wurde als zu teuer bezeichnet. Das Kriegerdenkmal wäre zudem im Schutz der Kirche vor möglichen Verstümmelungen geschützt gewesen. Das Projekt scheiterte jedoch daran, dass im Nordturm ein Taufstein aufgestellt werden sollte.

Alternativ war auch die Errichtung eines Kriegerdenkmals auf dem Friedhof erwogen worden. Schließlich fiel die Entscheidung für den Bau einer separaten Kapelle in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dom, schräg gegenüber dem Hauptportal. Man wählte das Eckgrundstück an der Kreuzung der Bahnhof- und der Kirchstraße und plante, die Baufluchtlinien um etwa einen Meter zu überschreiten, um dem Denkmal ein besonderes Gewicht im Straßenbild zu geben.

Architekt Bernd Meyer

Der Wettbewerbsentwurf von Architekt Bernd Meyer

Der Entwurf für die Kriegergedächtniskapel le stammt von dem Billerbecker Bildhauer und Architekten Bernd Meyer (1885-1969). Nach einer Steinmetz- und Bildhauerlehre in dem Steinmetzbetrieb Dirks in Billerbeck war Meyer drei Jahre in der Werkstatt des Kunstbildhauers Bolte in Münster tätig. Anschließend studierte er sechs Semester an der Kunstgewerbeschule und der Kunstakademie in München.

Für die Kriegergedächtniskapelle hatten nur ortsansässige Künstler ihre Entwürfe einreichen dürfen. Meyers Entwurf ist auf der Einladung abgedruckt, die anlässlich der Einweihung des Kriegerdenkmals 1926 verschickt worden. Von wem die Konkurrenzentwürfe stammten, ist nicht überliefert.

Heimische Handwerker

 Auch die an der Ausführung der Kapelle beteiligten Handwerker und Firmen sollten aus Billerbeck stammen, und das Material durfte ausschließlich einheimisches sein. Wie für die Billerbecker Kirchen wurde auch für die Kapelle der hochwertige Baumberger Kalksandstein ausgesucht, Erde, Sand, Kalk und Bruchsteine wurden im Dienste der edlen Sache kostenlos geliefert.

Grundsteinlegung 1925

 Die Grundsteinlegung für die Kapelle erfolgte am 24. April 1925, wie das Datum unten rechts im Sockel bezeugt. Der neobarocke Bau entstand in Anlehnung an die barocke Sterbekapelle von 1732. Bernd Meyer wich von dem barocken Vorbild der Sterbekapelle insofern ab, als er statt eines oktogonalen einen kreisrunden Grundriss wählte.

Er übernahm das Motiv der großen Arkadenöffnungen. An die Stelle der Rechtecköffnungen traten nun bei der Kriegergedächtniskapelle kräftige, gequaderte Pilaster. Auch öffnete er den Bau nur an drei Seiten, die geschlossene vierte Seite benötigte er für die Anbringung der Schrifttafeln mit den Namen der Gefallenen und für die Platzierung eines Altars mit hohem Steinkreuz zur Niederlegung von Kränzen und Blumen.

 Mächtige Kuppel

 Der Bau ist von einer mächtigen Kuppel überwölbt. Die Pilaster finden ihre Verlängerung in vier expressionistisch abgetreppten Strebebögen, die die Bekrönung in Form eines vierseitigen eisernen Kreuzes tragen. Über dem Portal der Schauseite befindet sich eine barockisierende Wappenkartusche mit dem Brustbild des Hl. Ludgerus als Fürbittender für die Gefallenen.

Anstelle eines Altarretabels etwa mit einer figürlichen Darstellung sind auf den beiden vertikalen Partien des äußeren Rahmens die Namen der im Krieg gefallenen sowie an den Kriegsfolgen gestorbenen Mitbürger des Kirchspiels Billerbeck und der Gemeinde Beerlage aufgeführt. Auf dem verbindenden Querbalken befindet sich die Inschrift

DEM GEDENKEN DER IM WELTKRIEGE GEFALLENEN SOEHNE
SCHUF DIE HEIMAT DIES STEINERNE MAL.

Auf den vertikalen Partien des innenliegenden Rahmens sind die Namen der Gefallenen der Stadt Billerbeck verzeichnet. Der verbindende Querbalken trägt die Inschrift „Es ist ein heiliger und heilsamer Gedanke, der toten Krieger zu gedenken. 2.Macc.12,46“.

Barocke Platzanlage

Um den Bau gegenüber dem alles überragenden Ludgeri-Dom zur Geltung zu bringen, legte Meyer eine erhöhte, barockisierende Platzanlage zur Inszenierung der Kapelle an. Vom Niveau der Straße aus steigt man über fünf Stufen hinauf zu einem ersten Ruhepodest und von da aus weitere fünf Stufen hinauf zum großzügig bemessenen Vorplatz der Kapelle. Zu beiden Seiten des Ruhepodestes waren ursprünglich steinerne Löwen vorgesehen, die jedoch wohl aus Kostengründen nicht zur Ausführung gelangten. Auch die beiden Wandbrunnen, die der Entwurf zeigt, wurden nicht realisiert.

Festliche Einweihung

Einweihung des Kriegerehrenmals am 5. September 1926

Die Einweihung der Kriegergedächtniskapell e erfolgte schließlich am 5. September 1926. 35 Kriegervereine aus der "näheren und weiteren Umgebung und sämtliche weltliche Fahnen führende Vereine Billerbecks" nahmen an der Einweihungsfeier teil. Das Denkmal wurde vormittags eingesegnet, nachmittags erfolgte die weltliche Einweihungsfeier.

Das Aufgebot an Menschenmassen zeugt von der Verherrlichung des Ersten Weltkrieges in der Weimarer Republik, obwohl der Krieg verloren worden war. Die Kriegergedächtniskapelle ist ein markantes Beispiel für die Barockrezeption der 20er Jahre. Verglichen mit dem Vorgängerbau, der barocken Sterbe-Kapelle ist sie monumentaler. Die Monumentalität der Anlage entspricht dem Bedürfnis der damaligen Zeit „in großer Sprache zu formen, was das Volk fühlt“.

So weit der Auszug aus dem Aufsatz von Dr. Barbara Pankoke.

 Sanierung nötig

 Erste Schäden an der Kuppel waren bereits 1935 zu verzeichnen. Im Herbst 1997 erfolgten Sicherungsmaßnahmen im Bereich der Kuppel. Die Oberfläche der Kuppel war mit Algen- und Moosbewuchs überzogen, in weiten Teilen waren Verwitterungserscheinungen zu erkennen, wie sandende und verhärtete Oberflächen, Riss- und Schalenbildung. Die Innenseite der Kuppel ist durchfeuchtet.
   Ursache für die Schäden, sowohl an der Außenhaut als auch an der Innenseite der Kuppel, war vor allem eine aus der nachträglichen Verfugung mit Bitumenmasse und Zementmörtel resultierende Kristallisation von Salzen.
   Eine umfassende Sanierung folgte im Winter 2000/2001 mit Mitteln der Stadt Billerbeck und Zuschüssen des Westfälischen Amtes für Denkmalpflege.
   Im Zuge dieser Arbeiten wurde auch das Mittelpodest der Treppenanlage verändert. Anstelle der Sandsteinstufe wurde eine rote Kunststein-Scheibe als Aktionsfläche für die Musiker eingelassen und damit die einzige bauliche Veränderung für die Kapelle der Friedfertigkeit vorgenommen.